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Bio und fair für Deine Haut – Interview mit i+m Naturkosmetik

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Mit steigender Nachfrage wird gesunde Kosmetik konsumiert. Doch wer steckt dahinter? Welche Wege und welche Philosophie führen zu ganzheitlichen Produkten? Wir haben die Produkte von i+m Naturkosmetik ausprobiert, sind Fans geworden und haben dies zum Anlass genommen, genauer hinter die Kulissen des Berliner Unternehmens mit 16 Mitarbeitern zu schauen. Das Interview mit Bernhard von Glasenapp, Geschäftsführer der i+m Naturkosmetik Inge Stamm GmbH, führte Katharina Wyss.

Was war der Gründungsimpuls von Inge Stamm vor 30 Jahren?

Mittlerweile sind es schon fast 34 Jahre, die das Unternehmen besteht. Inge Stamm war gelernte Drogistin, Hebamme und Heilpraktikerin und hat sich ausführlich mit Naturheilverfahren beschäftigt. Vor allen Dingen der Hebammenberuf gab ihr den Anstoß, sich mit Naturkosmetik zu beschäftigen und ihre Entwicklung und Herstellung zu erlernen: Babys kamen auf die Welt und bekamen bald konventionelle Cremes auf die Haut, die jede Menge Konservierungsstoffe enthielten. Frau Stamm wunderte sich zunächst, warum so viele Babys mit Unverträglichkeiten und Hautausschlag reagierten. Dann begann sie in die Tiefe zu gehen, zu analysieren, was es für Cremes gab und welche nicht gut verträglichen, nicht gesunden Rohstoffe durch natürliche Stoffe ersetzt werden können. In den 70er Jahren gab es im Grunde noch keine Naturkosmetik. Diese zu entwickeln wurde zu Inge Stamms Lebenswerk.

Als Inge Stamm vor über 30 Jahren begann, Naturkosmetik zu entwickeln, war die Zeit der absoluten Technologiegläubigkeit und schon damals waren die meisten Produkte, die es auf dem Markt gab, üppig mit chemischen Substanzen ausgestattet, die sie haltbar machten. Die Industrie konnte so hohe Stückzahlen produzieren und diese in großen Lagern anlegen, was enorme Kosten spart. Ein großer Nachteil jedoch für die Anwender ist die Portion Chemie in der Creme, die gut für die Konservierung, aber schlecht für die Haut ist. Inge Stamm stellte fest, dass in der konventionellen Kosmetik überwiegend Substanzen enthalten waren, die die Haut überhaupt nicht braucht. Zum einen waren das Mineralölderivate, die keine Verbindung und keinen Austausch mit der Haut haben, sozusagen wie eine Folie auf der Haut sind, obwohl sie ein geschmeidiges Gefühl vermitteln. Denn das ist der Vorteil vieler Stoffe, die aus Mineralöl gewonnen werden. Doch das Grundproblem ist, dass sie quasi als totes Material auf der Haut liegen, sie nicht bereichern oder nähren und zudem schaden, da sie die eigenen Regenerationskräfte der Hautschutzschicht behindern. Es gab zu dem Zeitpunkt nur eine Handvoll von Menschen in Deutschland, die das so gesehen haben. Damals wurde gelacht, wenn man sagte, man will es ganz ohne Konservierung probieren.

Schließlich stellte Inge Stamm fest, dass man Kosmetik eigentlich komplett neu denken muss. Sie hat Kosmetik nicht nur neu gedacht, sondern auch die Erforschung, Entwicklung und Herstellung von natürlicher Kosmetik initiiert und wurde zu einer Pionierin der Naturkosmetik.

Und damit kommen wir zu Berlin: Aufgrund der großstädtischen Situation steht  Berlin seit jeher dafür, dass es innovative Ideen und ein relativ freies Denken ermöglicht. Frau Stamm ist eine echte Querdenkerin und Pionierin, für sie und ihre Idee von Naturkosmetik ist Berlin deshalb das richtige Umfeld. Das ist auch der Grund, warum wir heute Berlin als Marke kommunizieren. Wir machen deutlich, dass wir ein Berliner Naturkosmetikunternehmen sind, das die Wurzeln des Freidenkens in sich hat. Gegen den Strom zu denken hat  bei i+m Tradition, und das bis heute. Beispielsweise, weil wir  konsequent Wege wie „Cradle-to-Cradle“ für unsere Produkte umsetzen, ein Prinzip des Wirtschaftens ohne Müll.

Wie konsequent wird das Cradle-to-Cradle Prinzip, also von der Wiege zur Wiege, in ihren Verpackungen angewandt?

Was das Kosmetikprodukt angeht sehr konsequent, was die Verpackungen angeht auch. Deshalb arbeiten wir auch ganz eng mit den Initiatoren von „Cradle-to-Cradle“, zu Deutsch: „Von der Wiege zur Wiege“, zusammen. Mit unserem innovativen Packaging orientieren wir uns am Vorbild der Natur, die alles Alte zum Aufbau von etwas Neuem verwertet. Da die Produkte bei uns ja schon komplett biologisch abbaubar  sind, erfüllen sie damit bereits das Cradle-to-Cradle-Prinzip. Es ist sozusagen von der Natur gegeben und kann von ihr wieder aufgenommen werden. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen hat bei der Auswahl der neuen i+m Verpackungskomponenten eine große Rolle gespielt: Alle Einzelteile der Airless-Pumpspender – vom Spenderkopf bis zum Etikett – bestehen aus einem einzigen Material (PP), so dass sich die ohnehin umweltschonenden i+m Verpackungen noch hochwertiger recyceln lassen. Die Monoverpackung ist die Voraussetzung dafür, dass das Material später in gleicher Qualitätsstufe wiederverwendet werden kann. In den Müllsammelstellen kann heute mit Hilfe von speziellen Scannern das Material erkannt werden, über Gebläse wird es aussortiert und einem besonderen Recyclingprozess zugeführt. Polypropylen ist ein ganz spezieller Kunststoff, der für unsere Produkte von der Recyclingbilanz am besten abschneidet. Das Material wird in seine Kleinstbestandteile zurückgeführt, ohne dass die Molekularstruktur darunter leidet. Es findet nicht das meistens leider übliche „Downcycling“, verbunden mit einem Qualitätsverlust des Ausgangsmaterials statt. Wenn es eine Monoverpackung ist, wie wir sie einsetzen, dann liegen wir damit ganz weit vorne. Denn damit wird kein Müll verursacht, vielmehr können sie immer wieder die gleichen Spender daraus bauen. Nachhaltigkeit hat bei i+m eine lange Tradition: Ohne ressourcenbelastende Umverpackungen sind i+m-Produkte immer schon ausgekommen.

Es gibt auch Bereiche, wo wir noch an Grenzen stoßen, zum Beispiel,  was die Druckfarben betrifft. Wir forschen und arbeiten weiter daran, dass wir bis in die letzte Komponente alle Produkte Cradle-to-Cradle recyclingfähig machen. Das ist ein Prozess,  der Jahre dauert. Wir überzeugen mehr und mehr Zuliefererunternehmen mitzumachen, denn es geht im Grunde darum, auch Wirtschaftsdruck aufzubauen, damit auch die Weltkonzerne umschwenken.

Wo befindet sich heute das i+m Forschungslabor und die Produktionsstätte?

Die Produktionsstätte ist im Laufe der Jahre gewachsen. Je nachdem, wie die Kapazitäten stiegen, brauchte i+m größere Räumlichkeiten und größere Lager. Anfangs gestartet in Kreuzberg, ging es später nach Charlottenburg, dann zogen wir nach Tempelhof, immer irgendwo im Zentrum der Stadt. Heute ist es so, dass wir die Produktion aufgespalten haben in zwei Orte. Es gibt einen Kernbereich, das Labor von Inge Stamm, in Moabit, in dem sie forscht, Extrakte herstellt und verschiedene Bestandteile produziert.

Dort, wo wir mit größeren Maschinen arbeiten und Cremes anrühren, mieten wir uns Maschinenkapazitäten an. Das ist im Randgebiet von Berlin und dahin bringt Inge Stamm die Extrakte, Duftmischungen und weitere Zutaten, um das maschinelle Anrühren und Abfüllen der Kosmetik zu begleiten. Das Bürogebäude für alle weiteren Abteilungen ist mittlerweile in Berlin-Prenzlauer Berg.

Alle i+m Naturkosmetik-Produkte sind frei von synthetischen Rohstoffen, Farbstoffen und Duftstoffen. Auf welche biologischen Rohstoffen bauen die Produkte auf?

Das Herzstück unserer Cremes und Seren sind die kaltgepressten Bio-Öle. Die Qualität aller anderen Rohstoffe ist natürlich auch wichtig, doch die besondere Hochwertigkeit der Öle ist der springende Punkt. Wenn Sie in einen Laden gehen und ein Produkt für 2,98 EUR finden, ist es naheliegend, dass die Öle nicht hochwertig sind oder nur ein Minimum an den benötigen hochwertigen Ölen verwendet wurde. Das macht den großen Qualitätsunterschied aus und deswegen liegt der Schwerpunkt bei uns auf der Verwendung von hochwertigen, kaltgepressten Bio-Ölen. Kaltpressung bedeutet Manufakturarbeit und so kommt unser hochwertiges Arganöl z.B. aus Marokko von einem kleinen Fair Trade-Lieferanten, der das Öl in Handarbeit nach traditionellen Verfahren pressen lässt. Kaltgepresst heißt mechanisch gewonnen und nicht chemisch oder durch Hitze ausgelöst. Die erste Pressung hat dabei die beste Qualität. Alle weiteren Pressungen sind minderwertiger, auch wenn die Ausbeute durch mehrmaliges Pressen größer ist und diese häufig verwendet werden. Deshalb sind die kaltgepressten Erstpressungen immer die teureren Öle.

Das ist leider für den Verbraucher schwer zu erkennen, weil auch die Zertifizierungen für Bioprodukte und Naturkosmetik das nicht ausreichend abgreifen. Sie decken nur einen Mindeststandard ab und können die Qualität der i+m-Produkte nicht in allen Facetten vermitteln.

Nach welchen Kriterien suchen Sie Lieferanten aus?

Wir legen großen Wert darauf, dass so nachhaltig und sozialverträglich wie möglich gehandelt wird und die Rohstoffe kontrolliert-biologisch angebaut werden. Unsere Erfahrungswerte und Analysen zeigen uns jeweils, wo wir die besten Rohstoffe bekommen. Zudem unterstützen wir den Fairen Handel mit Bio-Rohstoffen.

Im Laufe der Jahre sind zahlreiche Produkte z.B. von Öko-Test mit der Bestnote ausgezeichnet. Welche Ziele haben Sie für die Zukunft in Anbetracht der Prämierungen?

Unsere parfumfreie Körperlotion wurde gerade wieder mit „sehr gut“ bewertet. Darüber freuen wir uns, aber wir orientieren uns nicht an diesen Bewertungen. Stiftung Ökotest ist für uns kein Maßstab für das künftige Handeln, wir haben unsere eigenen Ziele. Das Hauptziel ist im Grunde das absolute Maximum, was an Nachhaltigkeit geht, auf allen Ebenen. Vom Rohstoff bis hin zur Führungsstruktur des Unternehmens, eigentlich betrifft es alles. Für die Produkte heißt das, die Qualität halten zu können in einem sehr harten Wettbewerb, da es für den Verbraucher schwer zu erkennen ist, was der Unterschied zwischen Niedrigpreisprodukten und hochwertigen Produkten ist, denn die Qualität lässt sich sehr schwer kommunizieren auf den Verpackungen. Und auch hier in Konkurrenz zu Green-Washing-Unternehmen zu stehen, die mit sehr großen Werbebudgets aus der konventionellen Kosmetik kommen, einfach ein natürlich anmutendes Design  abdrucken und ihr Produkt bekanntmachen, ist eine Herausforderung.

Da ist es einfach schwer für ein kleines Unternehmen, beim Verbraucher anzukommen und die Möglichkeiten zu haben, unsere Qualität zu vermitteln.

Status quo ist, dass i+m einfach eine tolle Firma ist und versucht, einen Weg in die Zukunft zu weisen – mit einem starken sozialen und politischen Anspruch an das, was eine Firma leisten kann. Alles zusammen betrachtet führt dazu, sehr ausgereifte Produkte auf den Markt zu bringen, die das Sortiment bereichern. Wir möchten keinen Hunger nach ständigen Produktneuigkeiten stillen oder den Werbewahnsinn bedienen, sondern ein eigenes Tempo und eine eigene Ausrichtung beibehalten.

Sie haben früher Erfahrungen in anderen Unternehmen gesammelt. Was hat sie bewegt, mit Inge Stamm zusammenzuarbeiten?

Jörg von Kruse und ich waren Wirtschaftsanwälte und haben mittelständische Unternehmen beraten. Das hat viel Spaß gemacht und wir haben auch viel gelernt, doch es ging immer nur darum, den Unternehmen zu wirtschaftlichen Vorteile zu verhelfen. Als wir 2007 i+m und Inge Stamm kennenlernten, hat uns beiden gefallen, dass die rein wirtschaftliche Maximierung hier nicht der Fall war, sondern neben gesunden Produkten auch politische und  soziale Interessen sehr im Vordergrund standen. Und das vereint auch die Menschen, die bei i+m arbeiten. Vorrang hat es, einen Beitrag zu leisten, unsere Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten und die Zukunft aktiv mitzugestalten.

Was ist ihr ganz persönlicher Wunsch, wenn sie an ihre Zukunft im Unternehmen denken?

Für das Unternehmen würde ich mir vieles wünschen. Dass noch mehr Menschen verstehen, was wir machen, wie wir arbeiten und die Qualität unserer Produkte kennenlernen.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das aufschlussreiche Interview und wünschen auch weiterhin nachhaltigen Erfolg.

www.iumn.de

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Buchempfehlung: Einfach intelligent produzieren – Cradle to Cradle, Gebrauchsanweisungen für das 21. Jahrhundert von Michael Braungart und William McDonough, Berliner Taschenbuch Verlag, Deutsche Erstausgabe, 10,90 EURO, ISBN 978-3-8333-0183-4, http://www.goldboerse.net/2011/02/buchtipp-cradle-to-cradle/

Wo es i+m Naturkosmetikprodukte in Berlin-Pankow zu kaufen gibt: hautGUT, Lavendel-Apotheke

Foto: Natascha Dunker

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