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Familienaufstellung – Wege in die Kraft

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„Loslassen ist der Gradmesser unserer inneren Bereitschaft, zu empfangen.“ (Verfasser unbekannt)

Manchmal scheint sich das Leben im Kreis zu drehen und egal was wir versuchen zu tun oder zu lassen, es entsteht immer wieder die gleiche problematische Situation. Und kennen Sie das? … dann kommt ein lieber Mensch, der es gut mit Ihnen meint und sagt: „Mensch nun lass doch einfach los!“ Klar, wenn man loslässt, hat man beide Hände frei. Aber wenn das so einfach wäre; wenn man wüsste wie, dann wäre man nicht in dieser Situation.

In so einer Situation stand ich selber, als ich das erste Mal zum Familienaufstellen fand. Was ist dort erlebte, stellte alle bisher erlernten psychotherapeutischen Methoden in den Schatten. Ich fand die Arbeitsweise absolut faszinierend, tiefgründig und revolutionär. Schnell war mir klar, dass ich diesen Beruf erlernen möchte.

Wie es der Zufall wollte, führte mich mein Weg zu Bert Hellinger. Ich hatte zwar auch schon Negatives von ihm gehört, aber er war damals schon 80 Jahre und ich dachte mir, Familienstellen lernen und ihn nicht kennen gelernt zu haben, ist als ob ich zu Zeiten Freud‘s, Psychoanalyse ausgeübt hätte, ohne Freud zu kennen. Und ich wollte mir selbst ein Bild machen.
Ich reiste zu einem Vortrag nach Leipzig. Es seit kurz erwähnt, dass ich schon viele Jahre Yogalehrerin war und nicht, wie die meisten anderen, einen bestimmten Lehrer hatte, über den ich sagen konnte: Das ist mein Vorbild.

Tja und da saß ich dann im Publikum und erlebte dort vorne auf der Bühne einen Menschen, der mit einer unendlichen Güte, Liebe, Weisheit und Tiefgründigkeit und einem unfassbaren Veranwortungsbewusstsein arbeitete, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe.

Ich war endlich angekommen. Bei meinem Lehrer. Und wie es der Zufall wollte, bot Hellinger das erste Mal eine Ausbildung an.


Teil 1: Wer ist Bert Hellinger und was ist eine Familienaufstellung?

Das Familienstellen wurde auf der Grundlage der systemischen Familientherapie entwickelt (Der Einzelne muss immer in Verbindung mit dem Familiensystem gesehen werden.). Anregungen für diese Arbeit kommen auch aus dem Psychodrama (Rollenspiele), der Primär- und Gestalttherapie (festgehaltene Gefühle werden zum Ausdruck gebracht, um sich von diesen Gefühlen zu befreien oder um Konflikte in einem Selbst, oder mit der Umwelt exemplarisch zu verstehen und zu lösen) und bauen auf der Arbeit von Virginia Satir auf (Sculpting, Familienrekonstruktion).

Es ist eine Methode, die an Hand praktischer Erfahrungen konzipiert und seit den 90er Jahren maßgeblich von Hellinger entwickelt worden ist. Es geht um die größere Kräfte, als die unserer Persönlichkeit, die uns zum Handeln bewegen. In seiner Arbeit bleibt Hellinger ununterbrochen in der Forschung nach Gesetzmäßigkeiten, die unser Leben, unsere Familie und unser Schicksal maßgeblich gestalten. Bis heute ist diese Entwicklung nicht abgeschlossen.

Einzelne Stufen der Entwicklung

  1. In Bezug auf Familiensysteme entdeckte er die sogenannten Ordnungen der Liebe. Es wurde deutlich, warum wir einerseits versuchen unser eigenes Leben zu leben und andererseits aus Liebe mancherlei Leid tragen, ohne es zu wissen. Im Feld einer Aufstellung wurde mit Hilfe bestimmter exemplarischer Sätze, die für eine Person ideale Ordnung gefunden. (Bücher:„Liebe und Schicksal“, „Mit der Seele gehen“, „Wie Liebe gelingt“, „Entlassen werden wir vollendet“)
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  2. In seiner intensiven Auseinandersetzung mit Konflikten zwischen ethnischen Gruppen und Schicksalsgemeinschaften beobachtete Hellinger, dass es zum einen stark bindende Kräfte zwischen Menschen gibt, die dasselbe Schicksal erlitten haben (z.B. Völkergemeinschaften), zum anderen eine besondere Bindung zwischen Opfern und Tätern (durch Katastrophen, Kriege). Vergessenes, Ausgestoßenes, Verdrängtes, Abgetrenntes (z.B. Fehlgeburten, abgetriebene Kinder, Opfer von Tätern der Familie) wurden wieder in’s System geholt. Integration und Frieden in den Seelen und den Familien konnte so entstehen. (Bücher: „Wo Ohnmacht Frieden stiftet“, „Der Frieden beginnt in den Seelen“)
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  3. Er entdeckte die Kräfte des Gewissens. Dabei unterscheidet Hellinger zwischen einem kollektiv wirkenden und einem persönlichen Gewissen. Das kollektive Gewissen will das System zusammen halten und verhindert so oft eine Auseinandersetzung mit Veränderungen, Verlusten, Schicksalsschlägen, Schuld. Damit verhindert es aber in der Regel auch, dass es Trauer und damit einen wirklichen Neubeginn geben kann.·
    Das persönliche Gewissen kann entstehen, wenn wir den Mut haben, uns zu lösen um über Vergangenes hinauszuwachsen, in Eigenes. Lösen bedeutet hier, sich zu zuwenden, es mit Liebe zu füllen, sich zu versöhnen und nicht einfach nur abzuwenden. (Bücher: „Der große Konflikt“, „Mitte & Maß“)
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  4. In den Aufstellungen zeigte sich immer wieder, dass Lösungen weit mehr sind, als etwas nur Persönliches. Wirklich berührende und befriedigende Lösungen sind etwas Größeres und betreffen die ganze Gruppe oder Familie und gehen auch hier über das bisher da gewesene hinaus. Solche Lösungen bedeuten mit einer größeren, umfassenderen Liebe in Verbindung zu kommen und zuzulassen, sich von dieser Kraft, die hinter allem wirkt, tragen zu lassen. Das „Geistige Familienstellen“ entstand. Es berücksichtigt alle Ebenen und Dimensionen, welche zur Lösung und Entwicklung führen. Von vielen wird es wie ein „Nachhausekommen“ erlebt. (Bücher: „Wahrheit in Bewegung“, „Verdichtetes,“ „Innenreisen“, „Liebesgeschichten“)

Obwohl nun schon weit über 80 Jahre alt gibt Bert Hellinger Seminare und Vorträge in der ganzen Welt und genießt inzwischen internationales Ansehen. Dieses Jahr wurde er für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Der zweite Teil des Artikel erscheint im Frühjahr 2012.

Monatlicher Treff: Hellinger Freundeskreis Berlin, jeden 4. Montag im Monat im GANZ ICH Institut, 16:30-18:00 Uhr, Teilnahme auf Spendenbasis. www.ganz-ich.com/freundeskreis

Die Autorin Anette Mara Marahrens ist Yogalehrerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Familienaufstellerin, Reikimeisterin/-lehrerin. Sie gründete und leitet das GANZ ICH Institut in Berlin.

llustration: Katharina Wyss