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ruhig blut! Anja Lindner im Interview

Anja Lindner treffe ich in einem Café im Florakiez. Sie ist eine sympathische Frau mit rebellischem Haar und braunen Kulleraugen, die eine freundliche Wärme und Verbundenheit ausstrahlen. Wir unterhalten uns über QiGong – ihre große Leidenschaft. Neben Stress- und Burnout-Prävention an Kitas, Schulen und sozialen Einrichtungen ist es eine wichtige Säule ihrer Arbeit. Anja unterrichtet am liebsten in Gruppen. „Hier unterstützen sich die Leute gegenseitig und ich moderiere nur.“ Das Radiant Lotus QiGong von Daisy Lee, das besonders auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten ist, begeistert sie besonders. Diesen Sommer war Anja Lindner nicht in ihren Kursen unterwegs, sondern wanderte zwei Monate auf ihrer eigenen Route durch Deutschland und tankte Kraft für sich selbst.

Name: Anja Lindner
Jahrgang: 1976
Wohnort: Berlin-Pankow
Beruf: Erziehungswissenschaftlerin, Trainerin für Stressbewältigung & Entspannung, QiGong-Lehrerin
Motto & Lieblingszitat: „ruhig blut!“

Was ist für Dich Gesundheit?
Gesundheit bedeutet für mich körperliches und seelisches Wohlbefinden, sich geborgen fühlen und an sich und die eigene Wirksamkeit in der Welt glauben. Träumen, lachen, entspannen, (mit-)fühlen, neugierig sein, …

Warum machst Du, was Du machst?
Meine Arbeit in Kitas und Schulen mit Kindern, Jugendlichen und den Pädagog*innen fordert mich und lässt mich immer Neues lernen und verstehen. Auch in meinen Präventionskursen am Abend erlebe ich verschiedene Menschen, welche die Dinge verschieden angehen und zum Ziel kommen. Das begeistert und erfüllt mich.

Was ist für Dich das Wichtigste an Deiner Arbeit?
Offenheit, Flexibilität, den anderen als Experten für sein eigenes Stresserleben bzw. sein Wohlbefinden zu sehen. Erst dann können wir gemeinsam Neues voranbringen. Oder vielmehr „Altes“, das in den Menschen selbst schlummert. Denn es ist alles bereits da! Wir müssen es nur neu entdecken!

Welche Methode in Deinem Repertoire ist für Dich am wertvollsten?
Achtsamkeit und neutrales Mitgefühl haben in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle eingenommen. Als Erstes lernte ich vor fast 20 Jahren das Autogene Training kennen und war überrascht, wie stark die eigenen Gedanken sind und was sie bewirken können! Es kamen weitere körperliche und mentale Techniken zum Stressmanagement hinzu – PMR, Achtsamkeit und vor allem QiGong, das ich täglich übe. Eine wesentliche Ressource ist für mich auch das Bewusstsein um soziale Vernetzung und Unterstützung. All das zusammen hilft mir, meine eigene Mitte zu bewahren und diese Erfahrung auch an andere weiterzugeben.

Was war bisher Dein schönstes Erlebnis bei Deiner Arbeit?
Oh, da gibt es viele! Ich erinnere mich z. B. an einen Tag in einer besonders großen Schule, wo ich mit anfangs zum Teil sehr skeptischen 140 Lehrer*innen gearbeitet habe und sich am Ende eine ganz tolle Teamstimmung entwickelte.
Es gab auch den Moment, wo mir ein 8-jähriger Junge mit schwerwiegenden Problemen nach dem zweiten Treffen sagte: So mache er das jetzt immer, wenn er merke, dass er „seinen Schutzmantel“ brauche – und dabei die gemeinsam erforschte und geübte Körperübung zeigte.
Auch wenn „meine“ QiGong-Frauen sich im Kurs gegenseitig Mut machen und in scheinbar ausweglosen Lebenslagen zueinander halten, geht mir das Herz auf. Überhaupt ist es immer schön, erleben zu dürfen, wie sich für Menschen plötzlich neue Perspektiven erschließen und daran angeknüpfte Emotionen nicht versteckt werden müssen. Weil wir alle menschlich sein dürfen.

Wie sieht ein idealer Tag für Dich aus?
Vormittags ein Training in einer Schule mit interessierten „querdenkenden“ (Ober-)Schüler*innen, Mittagspause in der Sonne, später Vorbereitungen für einen Studientag mit Kitaerzieher*innen, gemütliches Abendessen mit der Familie und abends ein später QiGong-Kurs, in dem viele Menschen bereits seit Monaten oder gar Jahren gemeinsam üben, die Zeit genießen und am Ende sagen: Unglaublich, wie gut das jedes Woche tut!

Was gehört für Dich zu einem guten Leben dazu?
Glück, Trauer, Wut, Vertrautheit, Zufriedenheit, Gemeinschaft, Ärger, Genuss, Freunde, Schicksalsschläge, Stress … und das Bewusstsein, dass es all das gibt und ich es erlebe. Dass ich es aber auch überlebe und daran wachsen kann.

Welches Erlebnis hat Dich in Deinem Leben am meisten beeinflusst?
Was für eine schwierige Frage … Als Kind wohl der Halt durch meine verständnisvollen, aber konsequenten Eltern, als Jugendliche internationale Esperantotreffen und mein FSJ im französischen Kinderheim, als junge Erwachsene die Wunder von Schwangerschaft und Geburt meiner Kinder, schwere Erkrankungen und Tod nahestehender Menschen, der dauerhafte Zusammenhalt in der Partnerschaft und mit langjährigen Freunden, die Entdeckung des Frauen-QiGong für mich, unerwartete „neue“ Freiheiten und Gefühle von Stolz, wenn die Kinder erwachsen sind … Es gibt nicht nur ein Erlebnis. Es zählt auch, jeden Tag Ausschau zu halten nach dem, was mich gerade HEUTE beeinflusst.

Mit welcher Persönlichkeit würdest Du gerne mal für ein paar Stunden die Rollen tauschen?
Ganz ehrlich? Also am liebsten wäre ich die kleine Emma von nebenan. Sie ist fast zwei und ich würde gern wissen, was ihr so durch den Kopf und auch durch den Bauch geht, wenn sie auf ihrem Windelpopo sitzend mit großen Augen und offenem Mund die gestressten, hektischen, laut ins Handy sprechenden Erwachsenen beobachtet …

Du erhältst von einem magischen Wesen drei Wünsche frei. Was würdest Du Dir wünschen?
Mein kleiner Neffe würde sagen: Weltfrieden. Doch wie kommen wir da hin? Vielleicht mit mehr Mitgefühl auf der Welt. Dass jeder bei sich selbst anfängt und mit gutem Gewissen das nimmt, was er/sie wirklich braucht zum Leben, und gibt, was er/sie geben kann. Wissen teilen, Lächeln verschenken, materielle Dinge weitergeben … Das macht übrigens auch glücklich … Sicher kommen wir dann einer friedlicheren Welt näher.

Was würdest Du mit auf eine einsame Insel nehmen?
Da ich wahrscheinlich nicht ganz viele liebe Menschen mitnehmen darf, weil die Insel dann nicht mehr einsam wäre …, sind es wohl: Neugier darauf, welche Erfahrungen die Insel für mich bereithält, und Vertrauen darauf, dass ich es schon irgendwie schaffen werde, mit all dem, was mich erwartet, umzugehen.

Wo und wie entspannst Du Dich am besten?
In meinem kleinen Garten: erst beim „In-der-Erde-Wühlen“ und dann beim Ausruhen und der Natur zuschauen und zuhören. Oder auch beim Radeln zur Arbeit, beim Schwimmen im See oder einer Waldwanderung. Kürzlich habe ich eine 8-Wochen-Wanderung quer durch Deutschland gemacht und kann jedem nur empfehlen, sich die Schönheit der Welt ganz in der Nähe anzuschauen.

Was ist Dein Lieblingsessen?
Mehr und mehr merke ich, dass es für mich nicht das „Was“ ist beim Genießen, sondern das „Wie“. Am schönsten ist im Sommer ein Picknick am See mit Freunden und all unseren Kindern, mit Geschichten und Lachen und natürlich den beim Radfahren ordentlich durchgerüttelten selbstgemachten Überraschungen, die jeder aus den Packtaschen holt.

Welchen Rat würdest Du unseren Leser*Innen mit auf den Weg geben?
Nehmen wir uns am besten alle nicht ganz so wichtig… 😉

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Foto © Designinger

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