Nach sechs Jahren führte mich meine Reise wieder nach Australien. Es war endlich an der Zeit, die Familie zu besuchen, denn es ist die Heimat meines Lebensgefährten. Ich konnte es kaum glauben, dass so eine lange Zeit seit meinen letzten Besuchen in 2009 und 2010 ins Land gegangen war. Die Entscheidung für einen Monat dorthin zu gehen fiel schon im Sommer, aber es wurde erst im Winter konkreter. So traf ich meine Vorbereitungen und Planungen rechtzeitig, da ich eine Heilpraxis führe und Seminare leite. Alles wurde gut bedacht und durchdacht.
Meine Freude stieg mit jedem Tag. Nach dem Silvester-Retreat waren es nur noch knapp 3 Wochen. Ich genoss diese Zeit, denn den Winter mag ich …, aber der Blick auf die Sonne und Wärme zog mich schon in seinen Bann. Endlich war es dann soweit. Der Tag des Abfluges kam und der Winter schlug hier in Berlin völlig zu. Blitzeis und Schneestürme legten den Flugverkehr lahm. Aber ich hatte ja Zeit. 28 Stunden lagen vor mir, die ich gemütlich in der Luft verbrachte, denn ich mache es mir ganz kuschelig und bequem. Und so war es auch. Die Zeit verging wie im Flug und plötzlich war ich in Adelaide, in Südaustralien.
Adelaide wurde 1836 von Captain John Hindmarsh gegründet und 1837 nach der britischen Queen Adelaide benannt – Adelheid von Sachsen-Meiningen. Im Gegensatz zu Städten wie Sydney oder Hobart, ist Adelaide nicht aus einer Sträflingskolonie hervorgegangen. Adelaide hat ca. 1,2 Millionen Einwohner bei einer Fläche die so groß ist wie Berlin. Bis zur Besiedlung gab es dort meist Buschland. Sümpfe die sich in Strandnähe befanden wurden trocken gelegt. Die Stadt erstreckt sich ca. 20 Km an der Küste entlang. Mehrere Flüsse durchziehen die Stadt, wobei der Größte der River Torrens ist. Adelaide zeichnet sich durch viele Parkanlagen aus. Da eine große Grillkultur in Australien vorhanden ist, sind alle Parks mit öffentlichen Gasgrillern ausgestattet. Jeder kann sich dort sein Barbecue zubereiten. Der höchste Punkt der Region ist der Mount Lofty mit 727 Metern. Die Stadt selber ist gemütlich und lädt zum Verweilen ein.
Mit großer Freude wurde ich empfangen. Die ganze Familie war da und da sie ursprünglich eine italienische Familie ist, war diese groß. Italienisches Leben in Down Under. Ja so ist es dort wirklich. Die Mutter kocht hervorragend italienische Spezialitäten. Der Vater ist aus Italien nach Australien in den 1950ern ausgewandert. Er kam aus der Region von Le Marche. Diese Region liegt auf der Höhe von Rom an der Adria. Ein schönes Fleckchen Erde, doch Arbeit gab es damals keine. So hat er nach Möglichkeiten Ausschau gehalten. Selbst in Deutschland hat er es versucht und Australien sollte es dann werden. Nach circa 10 Jahren kam er zurück, suchte erneut nach Arbeit und fand anstatt der Arbeit die Liebe seines Lebens, 14 Tage vor der Abreise. Zwei Jahre sparte sie, die Mutter, für eine Überfahrt. So ist die italienische Kultur nach Australien gekommen. Ich selber finde das ja sehr schön, da ich Italienfan bin.
Wir besuchten viele Verwandte und Bekannte bei meinem Aufenthalt. Es ist eine rege Freude. Nicht die ganze Zeit waren wir im Elternhaus, welches 10 Minuten vom Strand entfernt ist. An diesem Strandabschnitt wurde vor Jahren „Der weiße Hai“ gedreht. Wir gingen auch auf Reisen. Jedem kann ich die Insel Kangaroo Island empfehlen. Die Insel ist ca. 120 Kilometer von Adelaide entfernt. Wunderschön, wild, sehr ursprünglich. Mit einem Nationalpark, dort haben wir gecampt. Einsame Buchten, Schotterpisten, rote Erde, freundliche Menschen. Dort haben wir unglaubliche Tiererlebnisse mit Robben und Kängurus erlebt. Es ist noch schöner als es in Prospekten beschrieben ist. Es ist ein Kleinod, welches man auch entsprechend bezahlt. Aber eben Natur pur.
Eine weitere Spur führte uns in Richtung der Australischen Alpen – die Blue Mountains in der Region von Canberra. Es ist das höchste Bergmassiv in Australien mit 1215 Metern am Gipfel. Im Winter gibt es dort Schnee und Schneeketten gehören an die Autoreifen. Warum fuhren wir ausgerechnet in diese Ecke? Ich habe einen Tag vor meiner Abreise Kontakt zu einem Kräuter- und Pflanzenkenner erhalten und sofort angerufen. Wir verstanden uns wunderbar und verabredeten uns. Er wohnte in einem kleinen Ort in den Bergen. 1200 Kilometer führte der Weg durch den Outback.
Manchmal hundert Kilometer weit und breit kein Haus, kein Mensch, kaum ein Baum, kein Auto, aber viel rote Erde und nachts tausende Kängurus. Stille, schwirrende Hitze – flimmern in der Luft. In den Morgenstunden kamen wir in Harald’s Bergdorf an. Er hat schon viele Heiler auf der ganzen Welt getroffen, auch „Ngangkari“– die Heiler der Aborigines. Vieles hat er von ihnen gelernt, auch über Heilpflanzen. Stundenlange Gespräche folgten. Ein reger Austausch, bin ich doch selber heilerisch tätig. Mein Weg führte mich bis nach Sibirien, wo mich Schamanen mit alten Riten als Schamanin einweihten. Diese „Ngangkari“ wollte ich gerne treffen.
Es ist nicht einfach sie zu finden. Diesmal spürte ich den Ruf stark, mich auf die Suche zu machen. Bei Harald war es ein Beginn, ein Start, mehr zu erfahren. Was hat er nicht alles mit ihnen erlebt hat und mit welch einer Achtung er von ihren Fähigkeiten berichtete. „Ngangkari“ können Frauen und Männer sein. Sie arbeiten unterschiedlich – mit Massagen, Pflanzen, Ritualen … Er hatte bedauert, dass wir seinen besten Freund nicht mehr kennenlernen konnten. Er ist schon verstorben, was er alles konnte. Harald berichtet auch, dass er sehr sensibel ist und von seinem Großvater das Rutengehen gelernt hatte, so dass er Stellen und Plätze von den Aborigines entdeckt hat. Dafür hat er viel Respekt und Achtung erhalten. Wir können so alle voneinander lernen. Mich bewegt, dass ich an diesem Ort erfahre, dass einige dieser Heiler einen Teil unserer Kultur achten und wertschätzen. Das ist so wunderbar. Sollten wir nicht alle unseren Enkeln dieses Wissen beibringen? Wasseradern oder besondere Plätze zu erspüren, das kann wirklich jeder. Unsere Wege trennten sich mit der Absprache, sich in Berlin wieder zu treffen und wenn ich zurück nach Australien komme, dass wir eine Tour mit Aborigines organisieren werden. Schöne Aussichten.
1200 Kilometer zurück geht es nach Adelaide, an heiligen Plätzen und verlassenen Orten vorbei. In Adelaide habe ich Kontakt zu einer Ärztin herstellen können, die mit traditionellen Heilern zusammenarbeitet. Das gestaltet sich nicht immer einfach, aber ich sollte Glück haben. Unser Treffen fand in einem Haus statt und wurde von Betreuern und einer Ärztin begleitet. Ich musste einen Fragebogen für die Statistik ausfüllen. Das habe ich gerne gemacht. Es ist nicht einfach in Australien als „Ngangkari“ zu arbeiten. In Deutschland sind wir offen und suchen nach Alternativen oder Ergänzungen zur herkömmlichen Medizin. In Australien müssen die „Ngangkari“ dafür kämpfen und brauchen Unterstützung, damit sich Wege für ihre Heilkunst öffnen und sie ganz offiziell und anerkannt arbeiten können. Einige können nun Dank dieser Möglichkeit mit einem Krankenhaus kooperieren. Ein großer Schritt. Ich bin in Australien die Andere, die Suchende – die, die die Nase hineinsteckt. Viele Australier sind immer noch sehr abwertend und alternative Medizin – oh meine Güte. Aber ich hatte endlich diese Sitzung. Schon der erste Kontakt, der Blick … da wusste ich, sie brauchte keinen Fragebogen. Sie hat mich längst abgecheckt. Eine Bauchmassage folgte. Energien lösen und entfernen. Mein Bauch war danach ganz schön aufgewühlt. Wir tauschten noch einige Details aus und ich konnte Fragen stellen. Sie war so bescheiden und ihr Lächeln trage ich in meinem Herzen. Zum Abschied sagte sie zur mir, dass ich Heilerin bin. Ich hatte es zuvor nicht erwähnt.
Weiterhin sind wir im Austausch und ich bin gespannt, was sich daraus entwickeln wird. Für den nächsten Besuch möchte ich diesmal nicht sechs Jahre vergehen lassen.
Petra Hinze, Frauenwissen & Schamanismus, Seminare & Reisen
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Die Redaktion bedankt sich herzlich bei Petra für diesen exklusiv geschriebenen Reisebericht für unser Netzwerk.